Freitag, 13. Juli 2018 (Isafjördur, Island)
Gegen 6.00 Uhr wurde ich von undefinierbarem Lärm geweckt. Der steigerte sich dann noch, so dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. Geplant war heute, dass das Schiff vor Isafjördur, das im äußersten Nordwesten Islands zu finden ist, auf Reede liegt.
Aber plötzlich war die Artania fest an der Kaimauer vertäut. Für meine Frau verlief die Nacht noch schlimmer, sie hatte Hals- und Kopfschmerzen, kein gutes Zeichen. Da um 8.00 Uhr die Sprechstunde begann, suchten wir sofort die Ärztin auf, deren Ordination auf Deck 1 lag. Wir waren nicht die Ersten, aber nach ein paar Minuten wurde Sonja aufgerufen. Frau Dr. Rose verpasste ihr umgehend eine Infusion, die u.a. Schmerzmittel enthielt. Blut wurde ihr ebenfalls abgenommen, aber die Werte waren zum Glück in Ordnung. Das Medikament führte immerhin zu einer Schmerzlinderung und auch der Kreislauf wurde einigermaßen stabilisiert, so dass die Teilnahme am Ausflug, der erst am Nachmittag stattfinden würde, nicht gefährdet war. Die lauten Geräusche waren im Übrigen vermutlich auf die Bugstrahlruder zurückzuführen. Im Laufe des Tages erfuhren wir vom Kreuzfahrtdirektor nämlich, dass aufgrund der hier vorherrschenden starken Strömung ein Anlegemanöver am Kai nur selten gelingt. Unser erfahrener Kapitän Morten Hansen hat diese nautische Glanzleistung aber hinbekommen. Da uns dadurch das Tendern erspart blieb, nahmen wir auch den hohen Geräuschpegel gerne in Kauf. Außerdem steigerte die Aktion das ohnehin schon große Vertrauen in unseren Kapitän.
Nach dem einstündigen Aufenthalt im Bordhospital gingen wir ins Artania, es blieb noch genügend Zeit für das Frühstück und anschließend setzte ich mich wieder an den Laptop, um den Reisebericht fortzusetzen. Bevor der Ausflug begann war auch noch genügend Zeit, um ein paar Bilder des unspektakulären Isafjördur zu machen, das knapp 4.000 Einwohner zählt. Die kleine Stadt gilt als Handels- und Kulturzentrum der Westfjorde in Island. Wie gesagt wenig spektakulär, aber am Nachmittag würden wir das Städtchen noch genauer kennenlernen.
Nach einem schnellen Mittagessen holten wir uns um 13.25 Uhr die Busnummern in der Atlantik Lounge ab. Im Bus wurden wir dann von einem sehr jungen Reiseleiter namens Mats begrüßt. Er mochte vielleicht 24 oder 25 Jahre alt sein, war Sohn niederländisch-schwedischer Eltern, der in Deutschland geboren und lange Zeit gelebt hat. Jetzt war er seit annähernd zwei Jahren in Isafjördur, um seinen Master an der hiesigen Universität in Meeres- und Küstenmanagement zu machen. Eine durchaus bemerkenswerte Vita. Es wurde auch schnell deutlich, dass Mats nicht nur über ein sehr profundes Wissen über Islands Flora und Fauna verfügte, er brachte das auch immer wieder so gewitzt rüber, dass es den Zuhörern nicht langweilig wurde.
Zunächst fuhren wir von Isafjördur nach Bolungarvik. Dazu mussten wir einen noch ziemlich neuen 5,4 Kilometer langen Tunnel durchqueren. Mats wusste zu berichten, dass vor dem Bau des Tunnels, der „Bevollmächtigte für die Elfen“ (so etwas gibt es auf Island tatsächlich!) befragt wurde, ob die Elfen mit dem Tunnelbau auch einverstanden wären. Dieser meinte, dass man sich mit dem Bau noch etwas gedulden solle, um den Elfen die Möglichkeit zu geben, ihre Dinge zu regeln. Wie bei Politikern leider oft üblich, dauerte ihnen das zu lange. Man begann mit dem Bau und in der Folgezeit ereigneten sich merkwürdige Dinge: Werkzeuge verschwanden oder wurden beschädigt, Gerölllawinen gingen ab und Ähnliches. Der Weiterbau wurde gestoppt und man befragte erneut den Rat der Elfen, was man machen sollte. Dieser empfahl eine öffentliche Entschuldigung des ungeduldigen Politikers bei den Elfen, um diese zu besänftigen. Der einmalige Vorgang wurde sogar im isländischen Fernsehen übertragen. Daraufhin durfte der Tunnel (weiter)gebaut werden und diesmal klappte es ohne Zwischenfälle.
In Bolungarvik, das nur wenige Kilometer entfernt lag, fuhren wir zu einer kleinen Kirche. Im Gotteshaus wurde uns eine besondere Vorstellung geboten. Ein 16-jähriges Mädchen, das in der landestypischen Tracht, die ihre Mutter genäht hatte, vor uns stand, sang drei isländische Volkslieder. Sie tat dies so gekonnt und talentiert, dass die Zuhörer begeistert klatschten.
Hatten wir anfangs noch einen „Zeitfüller für Touristen“ erwartet, waren wir nun umso angenehmer überrascht. Der nächste Halt erfolgte dann an einer unscheinbaren Fischerhütte. Hier wartete bereits ein Einheimischer, der sich in die heute merkwürdig anmutende Arbeitskleidung der Fischer von vor 100 Jahren gekleidet hatte.
Wir erhielten eine kurze Lektion in Sachen isländischer Fischfang. Kaum zu glauben, mit welch primitiven Mitteln die Menschen damals ihr Überleben sicherten. Erschwert wurde das darüber hinaus durch schwierige klimatische Bedingungen wie lange und harte Winter. Wir besichtigten nach ein paar erklärenden Worten noch das angeschlossene Museum und fuhren dann zu unserer letzten Besichtigung, dem Seefahrtsmuseum in Isafjördur. Hier hatten wir auch das „Vergnügen“ Stockfisch und fermentierten Grönlandhai kosten zu dürfen. Ersteren konnte ich nur mit Mühe abbeißen, bevor ich ihn unauffällig entsorgte, den Grönlandhai, der auch von Mats nicht gegessen wurde, verschmähte ich von vornherein. Um meine Magennerven wieder auf Vordermann zu bringen, trank ich aber ein Schlückchen „Schwarzer Tod“, wie er hier heißt. Dabei handelte es sich um einen Kümmelschnaps, der mir aber ganz gut schmeckte.
Mittlerweile hatte es angefangen leicht zu regnen. Mit unserem Ausflug hatten wir daher wirklich Glück. Und mit unserem Reiseleiter, der uns sein Wissen kurzweilig weitergab, ebenfalls. Bevor es zurück zur Artania ging, fuhr der Bus noch einen kurzen Schlenker zu einem Wasserfall. Um den Teilnehmern zu beweisen, wie klar das dortige Wasser wäre, tauchte der Busfahrer eine Kanne in das kristallklare und kühle Nass und Mats schenkte es dann aus.
Bevor wir an Bord gingen, machte ich noch ein Foto von Sonja an der Gangway mit dem berühmten Steuerrad.
Im Vier Jahreszeiten verwöhnte uns Tamara Richter mit ihrem Küchenteam heute mit einem „Isländischen Abendessen“. Ich bestellte mir u.a. „Rentierragout im Blätterteigmantel“, das vorzüglich schmeckte. Auch die Keule vom Isländischen Salzwiesenlamm enttäuschte meine Erwartungen nicht und so genossen wie an einem weiteren Abend die Köstlichkeiten der Küche.
Gekrönt wurde der Aufenthalt im Restaurant durch einen vorbei schwimmenden Wal. Kapitän Hansen hatte vorher in einer seiner Durchsagen bereits darauf hingewiesen, dass Wale im Fjord gesichtet worden wären. Wir hatten daher unsere Fotoausrüstung mitgenommen und Sonja reagierte auch am schnellsten von uns. Sie schaffte es, ein paar Bewegungen einschließlich des Abtauchens zu filmen, leider war es mir technisch nicht möglich, den Filmschnipsel in den Bericht einzubauen. Auch wenn es nur Sekunden sind, die wir das Vergnügen hatten, ist es doch immer etwas ganz Besonderes, wenn man einem Wal, und sei er noch so klein, begegnet.
Da Sonja noch unter den Nachwirkungen der Erkältung litt und sie ziemlich kaputt war, ging ich heute alleine in die Atlantik Lounge. Meine Erwartungen an das Programm waren nicht sehr hoch. Ich sah mich jedoch schnell getäuscht. Das Showensemble der Artania bot mit „Le Carrousel“ ein Variete der Spitzenklasse.
Wir sahen tolle Nummern am Seil oder an den Tüchern und am hängenden Reifen, dazu sehr gute Gesangsdarbietungen, z.B. eine schöne Nummer mit dem Liza Minnelli-Klassiker „Mein Herr“. Die Moderation wurde vom Zirkusdirektor übernommen, der auch gesanglich überzeugte.
Allmählich wurde klar, weshalb man sich in der Showlounge bereits eine Dreiviertelstunde vor Beginn der Show einfinden muss, wenn man einen guten Platz haben möchte. Freilich gibt es immer ein paar Witzbolde, die erst fünf Minuten vor dem Einsetzen der Eröffnungsmelodie erscheinen und dann auch noch überrascht sind, wenn sie nur einen Stehplatz bekommen. Die Darbietungen des Ensembles begeisterten jedenfalls alle im prall gefüllten Auditorium und die Künstler waren dankbar für den Applaus. Am Ende stellten sich alle vor dem Eingang zur Atlantik Showlounge auf und nahmen die Glückwünsche der Zuschauer entgegen, die natürlich auch eifrig Fotos machen konnten.
Damit ging ein Tag, der nicht sehr erfreulich begann, mehr als versöhnlich zu Ende. Die Artania war nun auf dem Weg nach Akureyri, dort würden wir hoffentlich die ersehnten spektakulären Bilder zu sehen bekommen, die wir von Island erwartet hatten.
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Mit einem der wenigen Bilder der Artania, das wir aus dem Bus heraus gemacht haben, verabschieden wir uns aus Isafjördur.