Sonntag, 15. Juli 2018 (Erholung auf See)

Jetzt, nördlich des Polarkreises geht die Sonne den ganzen Tag nicht unter. Das kann den menschlichen Biorhythmus durchaus irritieren. Die einen beflügelt es, sie haben Energie ohne Ende, andere wissen nicht so recht, wann die Zeit zum Ausruhen oder schlafen kommt. Da wir nordkap-erfahren sind, haben wir damit zum Glück keine Probleme. Heute waren wir froh, ohne Zeitdruck frühstücken zu können. Trotzdem hatte das Tagesprogramm auch wieder einige Punkte, die wir unbedingt abarbeiten mussten. Währenddessen glitt MS Artania in ruhigem Fahrwasser weiter Richtung Norden.

So würden wir gegen Nachmittag die Insel Jan Mayen passieren und bereits um 11.00 Uhr fand auf Deck 8 vor der Kopernikus-Bar ein Spektakel statt, das wir uns keinesfalls entgehen lassen wollten: die Polartaufe.

Bevor uns um kurz nach 10.00 Uhr einen schönen Platz auf Deck 9 suchten, wärmten wir uns in der Pazifiklounge auf.

Dann ging es hinaus in die Kälte, aber es half nichts, auch Neptun und sein Gefolge nehmen auf Temperaturen keine Rücksicht. Wir fanden auch schnell ein schönes Plätzchen, ebenfalls auf Deck 9,  wo wir einen wunderbaren Rundblick auf das Geschehen unter uns hatten. Alle Plätze füllten sich im Laufe der Zeit und ein ungehobelter Zeitgenosse, der irgendwann nach 11 Uhr auftauchte, meinte, er müsse sich seinen Platz mit Gewalt erobern, schob meine Frau mit Wucht zur Seite, so dass die neben ihr Stehenden Mühe hatten, sich auf den Beinen zu halten. Gemeinsam wehrten wir diesen „Angriff“ jedoch ab und der rücksichtslose Mitreisende zog sich schimpfend zurück. Manchmal erlebt man wirklich Dinge, auf die man gerne verzichtet hätte.

Dann war es endlich so weit. Glücklicherweise waren die Passagiere noch nicht eingefroren, so dass wir noch klatschen und Neptun und sein Gefolge willkommen heißen konnten.

Reiseleiter Moritz und die Kolleginnen und Kollegen vom Phoenix-Team begrüßten alle vom irdischen Staub Beschmutzten. Eine kaum für möglich gehaltene lange Schlange irdischer Sünder ließ sich untersuchen und stempeln. Zur Belohnung gab es Wodka aus der Spritze, viel Gelächter und am Ende bekam natürlich jeder seine Polar-Urkunde. Auch die, die auf die Taufzeremonie verzichteten, zu denen gehörten wir.

 

Pünktlich nach dem Mittagessen sahen wir dann die Südspitze von Jan Mayen, das etwa 550 km nördlich von Island liegt. Mit seinen 373 Quadratkilometern ist es etwa so groß wie La Gomera auf den Kanaren oder der Gardasee. 

Aus dem Informationsblatt, das von Phoenix zusammengestellt wurde, geht u.a. hervor, dass in den späten 1950er Jahren die militärische LORAN-Station auf der Südseite gebaut wurde, wo sie sich auch heute noch befindet. LORAN ist ein militärisches Navigationssystem (Long Range Navigation), das bemannte Stationen erfordert, in Zeiten von GPS jedoch langsam überflüssig wird. Schließlich zog 1962 auch die Wetterstaion zur LORAN-Station um. Diese soll seit Anfang 1962 nicht mehr in Betrieb sein (ist allerdings nach wie vor da und besetzt). Wie so Vieles, was mit dem militärischen Bereich zu tun hat, bleiben auch hier viele Fragen offen. Dazu passt auch folgender Spruch, der auf einem Schild an der norwegischen Station (2004) auf Jan Mayen zu lesen ist:

„Theorie ist, wenn man alles versteht, aber nichts funktioniert.

Praxis ist, wenn alles funktioniert, aber keiner versteht, warum. Auf dieser Station vereinen wir Theorie und Praxis so, dass nichts funktioniert und keiner versteht warum.“

Was im ersten Moment lustig erscheint, macht einen, je öfter man das liest, doch sehr nachdenklich.

Die Vorbeifahrt an Jan Mayen verlief leider weniger spektakulär als erhofft, denn das Wetter spielte nicht mit. Die Insel versteckte sich zum Großteil unter Nebel und Wolken. Als wir uns dem Beerenberg an der Nordspitze näherten, keimte für kurze Zeit Hoffnung auf, aber die Sonne schaffte den Durchbruch nicht, der 2.277 Meter hohe, in seiner symmetrischen Form an einen Vulkan erinnernde, Berg zierte sich und spielte Verstecken mit uns.

Seetage sind auch auf der Artania für den, der mag, keine Faulenzertage. Das Programm beginnt mit „Fit in den Tag!“ im Fitnessraum auf Deck 9 und endet mit Bingo um 17.00 Uhr in der Casablanca Bar. Dazwischen ist für jeden etwas geboten. Heute war trotzdem alles etwas anders, denn Frankreich spielte gegen Kroatien um die Krone des Weltfußballs. Ich sah mir das Spiel auf der Kabine an und tippte nebenbei an meinem Reisebericht. Tatsächlich war das Fußballspiel an diesem Nachmittag interessanter, denn immerhin fielen sechs Tore und am Ende waren die Franzosen neuer Fußball-Weltmeister. Herzlichen Glückwunsch!

Wir versuchten vor dem Abendessen noch unser Glück beim Bingo, jedoch leider wieder vergeblich. Die kleinen Kugeln wollen uns einfach nicht. Für beim Spiel entgangenes Glück entschädigte ein butterweicher Zwiebelschmorbraten vom Hirsch im Vier Jahreszeiten. Anschließend gingen wir mit den Freiburgern in die Showlounge.

Das Artania Showensemble war bestens aufgelegt und legte eine unglaublich schmissige Show mit vielen bekannten Liedern und Tanzeinlagen aufs Parkett, die zum Träumen oder zum Nachdenken einluden. Ich war erneut überrascht von der Ausstattung, der toll gestatteten Bühne, dem Tempo der Show und den guten Stimmen. Das Seemanns-Showspektakel in der Calypso Bar, so der Titel, begeisterte die Zuschauer in der Atlantik Showlounge, die erneut bis auf den letzten Platz gefüllt war. Nach der Show konnte man sich wieder mit den Künstlern ablichten lassen, die bereitwillig für Fotos zur Verfügung standen.

Und weil Mitklatschen bekanntlich auch sehr anstrengend sein kann, gönnten wir uns nach der Show an Harry’s Bar noch einen Late Night Snack. Diesmal gab es u.a. leckere Mini Cheesburger. Wenn Seetage derart abwechslungsreich verlaufen, könnte man sich direkt daran gewöhnen.

 

Montag, 16. Juli 2018 (Erholung auf See)

Der zweite Seetag in Folge. Die folgende Aufnahme entstand um 11.00 Uhr, da  befand sich MS Artania etwa auf halber Strecke zwischen Jan Mayen und Longyearbyen.

Das Tagesprogramm, das wir gestern Abend in unserer Kabine vorfanden, enthielt auch ein „Spitzbergen Spezial“. Damit konnten wir uns schon einmal etwas auf den nördlichsten Zielpunkt unserer Reise einstimmen. Vertiefen wollte ich meine bis dahin spärlichen Spitzbergen-Kenntnisse nach dem Frühstück bei einem Vortrag von Herbert Everding. Aber die Atlantik Show Lounge platzte aus allen Nähten, die Leute saßen sogar auf den Stufen und standen seitwärts und an den Ausgängen. Also sah ich mir den Vortrag in aller Ruhe auf der Kabine an. Das Bordfernsehen übertrug ihn auf Kanal 46. Eine praktische Sache und gemütlich obendrein.

Diesen Tag ließen wir dahin plätschern. An Bord eines Kreuzfahrtschiffes kann alles, aber nichts muss. Eine Einstellung, die wir heute beherzigten. Wir saßen abwechselnd in Harrys Bar oder gingen hinauf in die Pazifik Lounge, wo wir Moritz zusahen, wie er einer ganzen Schar tanzwütiger Passagiere die Grundschritte des Line Dance beibrachte. Ein durchaus kurzweiliges Vergnügen. Und natürlich hat man von hier oben auch den besten Blick aufs offene Meer. Aber so lange wir auch gebannt hinaus schauten, einen Wal bekamen wir nicht mehr zu Gesicht.

Da heute das „Eismeer Gala Abendessen“ auf dem Programm stand, durften wir nach dem Bingo keine Zeit verlieren. „Aufbrezeln“ dauert eben, besonders bei den Damen. Allerdings fiel auch heute wieder auf, dass für meine Begriffe zu viele das Wort „Gala“ nicht recht ernst nehmen. Wenn die Kellner mit ihren eleganten weißen Jacken und Fliege am Restauranteingang Spalier stehen, sind eine verwaschene Jeans und Schlabberlook vielleicht etwas unpassend.

Aber derartige Unsitten nehmen leider immer mehr zu und so hakten wir dieses Thema auch schnell wieder ab, erfreuten uns stattdessen am wieder vorzüglichen Abendessen an einem wie jeden Tag wunderbar gedeckten Tisch. Wir waren jetzt regelmäßig bei Alvin und seinem freundlichen Team zu Gast. Meistens wurden wir schon launig von Alvin an einen "seiner" Tische herangewunken. Ich wählte u.a. ein vorzügliches Räucherlachstartar, einen Krabbencocktail und eine Rinderhüfte vom Feinsten. Danke an Tamara Richter und ihr Team!

Nach dem Abendessen lockte „Die große Stimme der Travestie“ – Joy Peters in die Atlantik Showlounge. Dass man zu den Shows frühzeitig kommen muss, hat sich in der Zwischenzeit herum gesprochen. Will man einen Platz in den vorderen Reihen haben, sollte man sich gleich nach dem Dinner auf den Weg machen. Die Show Lounge öffnete ihre Pforten meist gegen 20.15 Uhr. Leider wurde des Öfteren die Unsitte beobachtet, dass Besucher lediglich eine Handtasche auf den Sitz legten und gleich für fünf weitere Personen ein Platz reserviert wurde. Derartige Methoden sind einfach nur rücksichtslos und unverschämt. Hier wären entsprechende Durchsagen der Verantwortlichen vielleicht einmal ganz nützlich.

Da wir glücklicherweise immer bei den Ersten waren, hatten wir mit derlei Ärgernissen jedoch nicht zu kämpfen. Stattdessen erfreuten wir uns an der teilweise selbstironischen, aber immer witzigen Conference und vor allem an der großartigen Stimme von Joy Peters. Musikalische Ausflüge in die 1960er und 1970er Jahre zu den Evergreens von Elvis Presley (Love me Tender) oder Frank Sinatra (My Way) ließen uns für kurze Zeit noch einmal jung werden. Die Zuschauer hörten entweder gebannt zu oder klatschten mit im Takt.

Auch Joy Peters präsentierte sich den Zuschauern nach der Show im Foyer und ich stellte mich gleich daneben, so dass wir ein schönes Foto machen konnten.

Auch der zweite Seetag in Folge ließ uns die Entfernung zur Heimat vergessen. So konnte es gerne weitergehen und noch mehr Grund zu Optimismus machte die Meldung von Kapitän Hansen, wonach auf Spitzbergen mit schönem Wetter zu rechnen wäre. Wir waren gespannt auf den morgigen Tag, wo das nördlichste Ziel und Highlight der Reise auf uns wartete.

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