Samstag, 09.05.2015 (Crotone, Italien)
Mit Oropax schläft es sich manchmal einfach besser. Türenschlagen und Staubsaugergeräusche gehörten damit der Vergangenheit an. Ich schlief ganz wunderbar und fragte mich, weshalb zum Teufel ich die Lärmhemmer nicht schon früher benutzt hatte. Wir durften heute wieder ausschlafen und frühstückten, natürlich, im Freien. Diese Augenblicke muss man einfach nutzen, denn frische Seeluft gibt es zuhause leider nicht. Nach dem Genuss von Kaffee und Spiegeleiern blieben wir einfach sitzen und warteten ab, bis die Albatros ihre 263 Seemeilen von Pylos zu unserem nächsten Ziel in Crotone (Kalabrien) zurück gelegt hatte.
Die Landganginformation zu Crotone war noch kürzer als jene von Pylos. Das ließ nicht unbedingt herausragende Sehenswürdigkeiten erwarten. Crotone ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in Kalabrien und zählt etwa 61.000 Einwohner. Im Reiseführer habe ich ferner gelesen, dass wir in den wichtigsten Hafen am Ionischen Meer einlaufen würden. Der sah dann allerdings so aus:
Kapitän Mühlebach versäumte daher nichts, denn er musste sich ja auf das Anlegen konzentrieren.
Für die Albatros war es die Premiereneinfahrt in diesen Hafen. Da es ziemlich eng war, wurde unser Schiff von einem "Bugsierer" an die Pier gehoben. Da war es etwa 12.00 Uhr und eine breite Wolkenwand platzierte sich zielsicher über Crotone. Nach dem Mittagessen, das viel besser aussah als die Häuser am Hafen, machten wir uns für den Landgang fertig, Regenkleidung inklusive!
Ein interessanter Ausflug war für diese Region nicht im Angebot, so dass wir die Stadt auf eigene Faust erkunden wollten. Wir verließen das Hafengelände, das schon nicht sehr einladend war, als unsere Schritte jäh von einer am Eingang stehenden Bimmelbahn unterbrochen wurden. Das Zügle war schon gut frequentiert und wir mussten uns beeilen, um noch zwei Plätze zu ergattern. Zum Preis von 2,00 Euro pro Person gab es eine kleine Stadtrundfahrt.
Die Menschen am Straßenrand freuten sich über die Besucher und winkten uns fast schon euphorisch zu. Wir kamen uns beinahe wie Außerirdische vor, denn was wir während der Fahrt und auf dem folgenden kurzen Spaziergang sahen, war traurig genug. Viele Häuser in Crotone waren in einem erbärmlichen Zustand, das Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen. Der Putz bröckelte gleich kiloweise, zum Teil fehlten ganze Mauerstücke, die Straßen waren verdreckt und es gab kaum eine Wand, die nicht mit Graffitis "verziert" war.
Touristische Sehenswürdigkeiten? Die Kathedrale von Crotone war leider geschlossen, so blieb uns nur noch der Weg zum Kastell von Karl V. aus dem 16. Jahrhundert. Außer uns verirrten sich nur eine handvoll Touristen nach oben und eine schwarze Katze, die aber ziemlich gelangweilt war. Kein Wunder, das was sie täglich mitansehen muss, ist auch nicht gerade aufregend.
Unsere Sightseeing-Tour war daher viel schneller beendet als erwartet. Wir freuten uns regelrecht auf die Rückkehr an Bord "unserer Albatros", die wir von der Burgmauer aus natürlich noch fotografierten.
Wir verbrachten den Nachmittag mit angeregten Plauderein auf Deck 6. Vor dem Auslaufen informierte uns Alex über eine improvisierte Folklore-Darbietung einer einheimischen Kindergruppe. Die Veranstaltung war sicher gut gemeint, aber man verstand wegen fehlender Lautsprecher weder etwas vom Gesang (was vermutlich ein Glück war) und die als Folklore angekündigte Truppe waren ein paar Kinder, die sich mit undefinierbaren Körperverrenkungen abmühten und einem fast leid tun konnten. Für einen Premierenanlauf eine ziemlich verunglückte Angelegenheit! Unverständlich war aus meiner Sicht allerdings auch, dass weder Kaptän noch Kreuzfahrtdirektor ein paar Worte des Dankes an Einheimische und Passagiere gerichtet haben.
Beim Abendessen war davon jedoch keine Rede mehr, einer unserer Tischnachbarn bilanzierte dazu treffend: "Das Elend hat zwei Namen: Lesbos und Crotone!" Damit brachte er auf den Punkt, was viele Passagiere dachten. Aber bei einer derartigen Reise können nicht alle Ziele Highlight-Faktor haben. Die servierte Regenbogenforelle tröstete uns schnell über die Tristesse des heute Erlebten hinweg. Und schließlich hielt Kalabrien sogar noch einen passablen Sonnenuntergang für uns bereit.
Dabei wurden dann auch sofort Erinnerungen an unseren Urlaub in Tropea vor nunmehr zehn Jahren wach, als wir uns in die Region Kalabrien verliebt hatten. Der Tag war aber noch nicht zu Ende und es gab noch weitere Überraschungen. Auf der Kabine lachte uns ein süßes Betthupferl an, sozusagen im Vorgriff auf den morgigen Muttertag.
Zum Abschluss des Tages durften wir um 21.45 Uhr dann auch noch die Küche in Augenschein nehmen. Der Kärntner Adi Oberdorfer zeigte uns sein Reich, in dem er über 63 Mitarbeiter herrscht. Er klärte uns über die Zubereitung der Menüs auf, so erfuhren wir u.a., dass alle Semmeln und Brote selbst gebacken werden und man dabei auf keine Backfertigmischungen oder Teiglinge zurückgreift. Lediglich die Croissants werden tiefgefroren. Überhaupt sind bei der Phoenix-Flotte Convenience-Produkte absolut tabu. Da schmeckt uns doch der angekündigte Muttertagssauerbraten gleich noch besser.
Nach einer halben Stunde "Küche intensiv" ließen wir die fleißigen Mitarbeiter wieder allein. Auch wenn Crotone nicht das hielt, was wir uns erhofft hatten, erlebten wir zumindest an Bord der Albatros wieder einen abwechslungsreichen Tag. Am 10. Mai stand eine Doppelanfahrt auf dem Routenplan, wir mussten früh raus aus den Federn, so dass ich um einen Weckruf für 7.00 Uhr bat.
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