Freitag, 2. Mai 2014 (Algier, Algerien)
Die See wurde immer glatter, es waren kaum noch Wellenbewegungen erkennbar, als ich um 8.00 Uhr zum ersten Mal vorsichtig den Vorhang beiseite zog. Am Frühstückstisch waren wir wieder mal die Letzten. Mittlerweile hatte es sich aber herum gesprochen, dass wir gerne etwas länger schlafen, zumal keine Eile bestand, denn die Albatros würde Algier erst gegen 12.00 Uhr erreichen.
Um 10.05 Uhr meldet sich der Kapitän „von der Brrügge“. In seiner unnachahmlichen Art informierte uns Kapitän Hansen über die Aufnahme des Lotsen, die für 11.15 Uhr geplant war, die Wetteraussichten wären unverändert gut und wir könnten uns auf einen schönen, sonnigen Tag in Algier freuen.
Die Skyline von Algier zeigte sich wenig einladend, gleichförmige Häuser aus der französischen Kolonialzeit, die schon von Weitem einen herunter gekommenen Eindruck machten. Bei der Einfahrt in den Hafen bestätigte sich das. Verrostete Lastenkräne, eingefallene Lagerräume und Mauern, die nur noch mühsam gegen den Verfall anzukämpfen schienen. Überhaupt gestaltete sich das Anlegemanöver als für den Laien durchaus anspruchsvoll. Die enge Hafeneinfahrt und die kurzen Anlegemöglichkeiten waren sicher auch für Morten Hansen eine gewisse Herausforderung. Die Bauweise der Albatros erlaubt es den Passagieren, dem Kapitän bei der Arbeit über die Schulter zu sehen, wenn er an der Nock steht und schwierige An- oder Ablegemanöver zu bewältigen hat.
Um 13.45 Uhr trafen sich die Ausflugsteilnehmer in der Atlantik-Lounge. Wir waren zeitig dran, weil wir nach Möglichkeit in einer der ersten Reihen im Bus Platz nehmen wollten. Das klappte auch und wir fanden uns schließlich in der zweiten Reihe wieder. Der Bus passte im Übrigen zu Algier: heraus gerissene Aschenbecher, zerschlissene Sitze, Gebrauchsspuren überall. Wind und Wetter beschleunigen den Verfall der Fahrzeuge zusätzlich.
Unser Reiseleiter Samir, ein hauptberuflicher Dometscher Mitte zwanzig bemühte sich, ein anderes Bild seines Heimatlandes zu zeichnen. Algerien, in dem etwa 35 Millionen Menschen leben, befindet sich im Umbruch, die Arbeitslosigkeit ist hoch und viele, vor allem junge Leute, haben wenig Zukunftsperspektiven. Ich unterhielt mich ein wenig mit ihm und er erzählte mir, dass er von dem Einkommen als Reiseleiter nicht leben könnte, es kämen nur sehr wenig Kreuzfahrtschiffe nach Algier und so mache er diesen Job eben nebenbei.
Unser Ausflug „Algiers Gärten“ startete um 14.00 Uhr. Wir wurden von einem zivilen Pkw begleitet und darüber hinaus von einer Polizeistreife in einem VW Polo. Mit 40 Stundenkilometern fuhren wir durch Algeriens Hauptstadt, in der etwa 2,2 Millionen Menschen leben. Der Freitag und der Samstag sind das „islamische Wochenende“ und entsprechen unserem Samstag/Sonntag. Wir sahen viele Familien, die mit den Kindern in der Stadt unterwegs waren und die alle mehr oder weniger zwei Ziele hatten: Das Monument der Märtyrer und den Botanischen Garten. Genau diese Sehenswürdigkeiten wurden auch von unserem Bus angesteuert.
Das 92 Meter hohe Betonmonument mit den stilisierten Palmen ist praktisch von überall her einsehbar. Bereits im Hafen war es zu sehen und jetzt, als wir davor standen, kamen wir uns noch kleiner als ohnehin schon vor. Das Monument erinnert an die Unabhängigkeit Algeriens im Jahr 1962, für die etwa 1,5 Millionen Menschen ihr Leben ließen. Am Fuße des Denkmals hielten Soldaten Wache und auch die Polizei war, wie im Übrigen in der ganzen Stadt, sehr präsent. Die Aussicht von hier oben war zwar sehr schön, auch die Temperaturen waren angenehm, schöner war die Stadt aber auch von hier oben nicht.
Weiter ging die Fahrt mit dem Bus zum Botanischen Garten. Schon meine Vorrecherche im Internet gab nicht viel her, Algier ist offensichtlich ein weißer Fleck auf der Tourismus-Landkarte. Die Einheimischen sehen das sicher anders, sie tummelten sich zu Tausenden vor und im Park. Das lag aber wohl auch daran, weil zeitgleich im nebenan liegenden Fußballstadion ein wichtiges Spiel ausgetragen wurde. Und so sahen wir auch hier schwadronierende Fans in den Farben ihrer Mannschaften an unserem Bus vorbei ziehen. Der Fußball mobilisiert eben auf der ganzen Welt die Massen.
Mit unserer Polizeieskorte fuhren wir dann durch Algeriens Hauptstadt, vorbei an Häusern, die, an unseren westlichen Maßstäben gemessen, diese Bezeichnung kaum verdienten.
Wenig spätet erreichten wir den stark bevölkerten Haupteingang des Botanischen Gartens. Dabei zogen wir natürlich auch die Blicke der Umstehenden auf uns, die uns womöglich für ganz wichtige Persönlichkeiten hielten. Dieser VIP-Status war uns jedenfalls nicht sehr angenehm. Gemütlich schlenderten wir dann etwa eine Stunde durch den Park, der doch ein etwas differenziertes Bild von Algier zeichnete. Wir begegneten freundlichen und uns gegenüber offenenen Einheimischen, die uns Touristen durchaus aufgeschlossen waren. Ich wurde zweimal von jungen Studentinnen auf deutsch angesprochen („Wie geht es dir?), die überrascht waren, überhaupt Fremde hier anzutreffen.
Allein an der Bekleidung vieler Frauen zeigte sich das bestehende Gleich- oder Ungleichgewicht zwischen weltlichem und religiösem Leben. Die meisten, vor allem die jungen Frauen, bevorzugten moderne westliche Mode, vereinzelt mit Kopftuch. Sehr selten sah man völlig verschleierte Frauen. Der Garten selbst bietet eine Vielzahl an Palmen und Bäumen, die bei uns völlig unbekannt sind, Blumenfreunde kommen hier nicht auf ihre Kosten, überhaupt sollte man die Erwartungen nicht allzu hoch schrauben. Algier steckt, nicht nur in touristischer Hinsicht, in den Kinderschuhen. Was den Besucher im Botanischen Garten erwartet, zeigt die folgende Fotoshow:
Während des Bummels durch den Garten trafen wir auch Reiseleiterin Elke, vielen sicher ebenfalls bestens bekannt aus der Fernseh-Doku "Verrückt nach Meer". Auch sie stellte sich gern für ein Foto zur Verfügung. Herzlichen Dank dafür!
Die Rückfahrt zum Hafen führte u.a. durch das Diplomatenviertel, vorbei an schönen Plätzen und großen Bauten.
Hier war vom Elend der Einwohner nichts zu sehen. Herrschaftliche Villen in ebensolchen Gärten sorgen in Algier allerdings für einen noch größeren Kontrast als in anderen Hauptstädten. Aber auch hier vermitteln die so genannten Eliten ein Bild, das man von ihnen kennt. Nur scheint in Algerien, das nach der Teilung des Sudans das größte Land in Afrika ist, die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander zu klaffen als anderswo.
Gegen 17.00 Uhr endete die Stippvisite in Algier. Die „Gärten“, als die sie im Ausflugsprogramm angkeündigt waren, entpuppten sich als lediglich „ein“ Garten, aber trotzdem war der Spaziergang durch Palmen und Johannisbrotbäume eine schöne Abwechslung. Immerhin waren wir kurzzeitig Gast auf einem anderen Kontinent und durften die Herzlichkeit und Freundlichkeit eines Landes kennen lernen, das bei uns fast unbekannt ist.
Nach dem wie immer vorzüglichen Abendessen entführte uns Melanie Bayer vom Albatros-Showensemble musikalisch in die vier Jahreszeiten. Schwungvoll präsentierte sie Lieder über Frühling, Sommer, Herbst und Winter. So ging ein abwechslungsreicher Tag zu Ende. Während die Albatros ihre Reise Richtung Cadiz fortsetzte, wurden die Uhren in der Nacht wieder eine Stunde vorgestellt.
Samstag, 3. Mai 2014 (Seetag)
Trotz der „gestohlenen“ Stunde erschienen wir ausgeschlafen zum Frühstück, denn erneut erwartete uns ein erholsamer Tag auf See und so konnten wir ohne Zeitdruck in den Tag starten. Das ohnehin schon reichhaltige Frühstücksbuffet bietet jeden Tag eine zusätzliche Überraschung. An diesem Samstag konnte man in Grießbrei mit Kirschen eintauchen.
Im Übrigen hatte sich das Albatros-Team um Kreuzfahrtdirektor Joe Liemberger wieder Einiges einfallen lassen, um die Passagiere bei Laune zu halten. Allerdings fanden wir an der Vortragsart von Axel Krack wenig Gefallen, so dass wir um die Atlantik-Lounge einen großen Bogen machten. Auch das Klavierkonzert von Prof. Anatoly Gololobov entsprach nicht unserem Geschmack. Stattdessen begaben wir uns auf das Pooldeck, wo Chefkoch Frank Hoffmann um 11.30 Uhr eine Sushi-Demonstration vorführte. Seine beiden Sushi-Köche zeigten einem interessierten Publikum die Zubereitung dieses besonderen japanischen Essens. Da ich Sushi bis dahin nicht kannte, reihte ich mich in die Schlange ein, die ebenfalls einige Röllchen kosten wollte. Jetzt kann ich immerhin mitreden und sagen: kann man essen, muss man aber nicht unbedingt!
Um 12.00 Uhr zeigte ein Eis-Schnitzer seine Künste an einem 25 Kilogramm schweren Eisblock, den er neun Minuten beackerte. Am Ende staunten die begeisterten Umstehenden über einen Engelsfisch, der in der Sonne dahin zu schmelzen drohte und deshalb schnell in Sicherheit gebracht wurde.
Bevor es am Nachmittag zum Faulenzen auf das Jupiterdeck ging, hatten wir noch eine "Immobilienbesichtigung" vor uns. Genauer gesagt ging es um die Captains-Suite auf Deck 7.
Sicher werden wir uns eine derart noble Behausung nie leisten können, aber trotzdem war es ganz interessant, einmal einen Blick in die "Welt der Schönen und Reichen" werfen zu können. Reiseleiter Bernd stand mit Rat und Tat zur Seite und ließ sich natürlich auch gerne mit seinen Fans ablichten.
Die Ausstattung der Suite war zwar sicher sehr hochwertig und edel. Aber sie hatte z.B. keinen Balkon und sie lag auch noch bugseitig auf Deck 7, so dass neugierige Passagiere vielleicht bei ihrem Rundgang einen Blick in die Kabine werfen können, auch wenn die Scheiben verdunkelt sind.
Dann begaben wir uns zwei Decks höher auf das Jupiter-Deck, wo wir den Whirlpool ausprobierten und uns einen Eiskaffee gönnten.
Das Möwe-Restaurant war an diesem Abend mit vielen europäischen Flaggen geschmückt. „Mediterranes Abendessen“ war das Motto des Abends und wir konnten zwischen Speisen aus Italien, Griechenland oder Spanien wählen. Das griechische Moussaka schmeckte dabei genau so gut wie der Fisch, von der Nachspeise nicht zu reden.
„Die teuflische Geige“, die von dem ungarischen Künstler Lubos Hasan in der Atlantik-Lounge präsentiert wurde, schwänzten wir. Wir zogen an diesem Abend einen Cocktail oder ein Weizenbier in Harry's Bar vor, wo wir mit unseren Tischnachbarn aus Hagen noch ein angeregtes Schwätzchen hielten. Ein weiterer Seetag ging damit zu Ende, jetzt freuten wir uns auf den nächsten Hafen in Cadiz.
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