Montag, 04. 05.2015 (Istanbul, Türkei)
Wir konnten erneut ausschlafen, denn die Albatros würde Istanbul erst um 13.00 Uhr erreichen. Bis dahin hat sie eine Strecke von 238 Seemeilen zurückgelegt.
Die ruhige See gewährleistete unverändert einen ebensolchen Schlaf und auch der Wettergott, der ja im östlichen Mittelmeer beheimatet ist, meinte es weiterhin gut mit uns. Sonnenschein kennt nur eine Konsequenz: das Frühstück wird im Freien eingenommen, erst Recht seitdem Florendo wieder seinen exzellenten Dienst dort verrichtet. Er bringt sogar die Spiegeleier zum Lachen.
Kapitän Jarle Flatebo wird die Albatros heute verlassen und nach seinem Urlaub das Kommando auf der "Statsraad Lehmkul" übernehmen, einem norwegischen Segelschulschiff. Seinen Platz auf der Brücke der Albatros nimmt stattdessen Elmar Mühlebach ein, der Kapitän des ehemaligen ZDF-Traumschiffes Deutschland. Wir sind jedenfalls gespannt, wie sich der sympathisch wirkende Deutsche im Vergleich zu dem eher spröden Flatebo machen wird. An dieser Stelle scheint mir im Übrigen ein Hinweis angebracht zu sein: Natürlich wird ein Kapitän nicht (nur) dafür bezahlt, Smalltalk zu machen, Hände am Kapitänsempfang zu schütteln und feurige Reden zu schwingen. Er soll das ihm anvertraute Schiff sicher führen und mögliche Gefahren erkennen oder erst gar nicht aufkommen lassen. Trotzdem sollte er seinen Passagieren doch wenigstens ansatzweise zu erkennen geben, dass er überhaupt an Bord ist. Ist es wirklich zu viel verlangt, sich in den ersten Tagen einmal über das Bordmikrophon oder bei passender Gelegenheit zu melden? Kann man nicht auch von einem nicht der deutschen Sprache Mächtigen ein kurzes "Hallo" erwarten? Aber Schwamm drüber, denn es war ohnehin keine Zeit, lange darüber nachzudenken.
Schon um 11.00 Uhr versuchte sich das Albatros-Team an einem Weißwurst-Frühstück. Die Sache mit dem Weißbier-Einschenken haben sie gut hinbekommen, und was die Würste betrifft .... die waren leider nicht einmal lauwarm. Das wird beim nächsten Mal sicher schon viel besser. Währenddessen näherten wir uns unaufhaltsam der Stadt zwischen Europa und Asien. Die Ausläufer waren zu beiden Seiten des Marmarameeres längst zu sehen.
Kreuzfahrtbegeisterte, die schon auf allen Weltmeeren unterwegs waren, haben übrigens Recht. Die Annäherung an Istanbul von der Seeseite ist tatsächlich etwas ganz Besonderes. Wir Neulinge standen mit den Kameras erwartungsvoll im Anschlag und dann tauchten bald die ersten schlanken Minarette auf, die sich elegant nach oben drängeln. Wir erblicken nach und nach eine einzigartige Skyline, die zunächst schemenhaft und dann immer deutlicher sichtbar wird. Auf der Backbordseite der Albatros stehen die prachtvollen Zeugen osmanischer Zeitgeschichte Spalier für staunende Touristen: Blaue Moschee, Hagia Sophia, Topkapi Palast. Ein orientalischer Traum wird wahr!
Und allen, die lieber Fotos betrachten, sind die folgenden Bilder ans Herz gelegt:
Die Albatros gleitet gemächlich in den Istanbul Cruise Port am Salipazari Pier, unterhalb des Beyoglu-Viertels gelegen.
Dabei sehen wir schon den Galata-Turm, den wir am Nachmittag erklimmen sollten, und kommen an dem japanischen Kreuzfahrtschiff Asuka vorbei, vor dem wir dann einparken werden.
Interessanterweise bleibt die Asuka das einzige Passagierschiff, das wir in Istanbul zu sehen bekommen sollten. Das Albatros-Team verliert keine Zeit. Kaum, dass unser Schiff angelegt hat, finden wir uns in der Atlantik-Lounge ein, dem obligatorischen Treffpunkt für die Ausflügler. Anschließend gehen wir zum Terminal, wo man mit der Bordkarte, die über einen Scanner gezogen wird, durchgelassen wird. Einige Rentner waren mit diesem Prozedere schon wieder überfordert. Im Bus begrüßt uns die türkische Reiseleiterin Gaye, was so viel wie "Hoffnung", "Wunsch" oder "Ziel" bedeutet. Gaye ist eine sehr gebildete und selbstbewusste Frau, die uns in den nächsten Stunden begleiten wird.
Leider werden wir an diesem sonnigen und warmen Montag von zwei Dingen gebremst: dem Istanbuler Verkehr und einigen gehbehinderten Senioren, die trotz ausdrücklicher Hinweise im Programm, "bewaffnet" mit Rollator oder Laufrad (kein Witz!) den Kampf gegen Hitze, hohe Stufen und die Toleranz ihrer Mitreisenden aufgenommen haben. Während dieser Kreuzfahrt erinnerten die geführten Ausflüge mitunter an eine Art "mobile Pflege", manchmal dauerte es schon gefühlte Stunden, bis sich die Reisegruppe überhaupt aus dem Bus gequält hatte. Rein zufällig bekam ich ein Gespräch von zwei Phoenix-Reiseleitern mit, das in dem Satz gipfelte "Da haben wir uns heute ja was angetan!".
Aber zurück zum Ausflug. Wir besichtigen zunächst den 63 Meter hohen Galata-Turm.
Bis es so weit ist, vergeht allerdings mehr als eine Stunde ehe wir endlich die zwei nur je sechs Besucher fassenden Aufzüge erreichen. Gaye verteilte die Eintrittskarten und musste sich dabei der Verbalattacken eines wildgewordenen Rentners erwehren, der kaum Deutsch sprach und sich daher nicht gleich als Mitglied unserer Gruppe outen konnte. Unglaublich, wie sich manche Zeitgenossen aufführen!
Dann ging es aber endlich nach oben. Die Fahrt mit dem Aufzug endete im 7. Stock, die letzten beiden Stockwerke mussten zu Fuß über eine Wendeltreppe bewältigt werden. Dann standen wir erneut vor einer Menschenwand. Es waren einfach zu viele. Als wir dann aber doch ins Freie treten konnten, erwartete uns eine großartige Aussicht auf eine Stadt, deren genaue Einwohnerzahl niemand kennt. Manche mutmaßen, es wären 14 Millionen, andere Schätzungen gehen von 16 Millionen aus und manche vermuten gar 17 Millionen Einwohner!
Auch wenn der 1348 erbaute massive Rundbau von den Genuesern ursprünglich für Verteidigungszwecke konzipiert war, erfüllte er diesen Zweck in der Praxis nie. Dafür bietet er heute Ausblicke auf eine Stadt, die viele für die faszinierendste der Welt halten.
Auf dem rechten Bild sehen wir die Albatros und die Asuka. Lassen Sie sich aber nicht von der durch das Zoom verfremdeten Entfernung täuschen, zu Fuß wäre das nicht machbar gewesen. Die Entfernungen in Istanbul sind gewaltig, so liegen z.B. zwischen der Pier und der Blauen Moschee etwa sieben Kilometer.
Zu Letzterer ging es dann auch mit dem Bus, genauer gesagt zur Sultan-Achmed-Moschee. Zuvor hatten wir im Bus noch Gelegenheit, die "moderne Architektur" Istanbuls zu bewundern und zwar immer dann, wenn wir wieder einmal im Verkehr stecken blieben.
Schließlich erreichten wir das geschichtsträchtige Areal mit den einzigartigen Zeugen osmanischer Baukunst aber doch. Man muss übrigens kein Moslem sein, um angesichts dieser prachtvollen Bauten ins Schwärmen zu geraten. Man steht auf einem unüberschaubar großen Platz und weiß zunächst nicht, wohin man blicken soll. Auf der einen Seite lockt die riesige und fast schon Furcht einflößende Hagia Sophia:
Während auf der anderen Seite die Sultan-Achmed-Moschee, besser bekannt als Blaue Moschee, um Besucher buhlt.
Wir hatten Glück, denn vor den Kassen war der Ansturm der Touristen überschaubar, vermutlich warteten die meisten noch vor dem Galataturm oder sie steckten im Istanbuler Verkehr fest. Einige Regeln sollte man übrigens beachten, will man das Gotteshaus betreten: alle Besucher müssen ihre Schuhe ausziehen, Frauen müssen ihre Schultern bedecken und ein Kopftuch tragen. Es hat auch keinen Sinn, sich darüber aufzuregen oder eine Diskussion zu beginnen. Machen Sie es einfach, es tut auch gar nicht weh. Wir waren darauf vorbereitet, nachdem wir bereits im Phoenix-Reiseführer darauf hingewiesen worden waren, und haben Kopftuch bzw. Schal und rutschfeste Socken in unseren Rucksack gesteckt.
Die blaue Moschee (viele weitere Infos dazu gibt es auch hier!) wurde im 17. Jahrhundert von Mehmet Aga entworfen und sollte gewaltiger als die Hagia Sophia werden. Das schaffte der Baumeister nicht ganz. Die mächtige Kuppel hat einen Durchmesser von 22,20 Meter bei einer Höhe von 43 Meter. 21.000 blaue Keramikfliesen im Inneren der Moschee zaubern das blaue Licht, daher auch der Name des beeindruckenden Sakralbaus.
Wir stehen auf einem der unzähligen Teppiche und lauschen den spannenden Erklärungen von Gaye. Zwei Männer, die scheinbar unbeteiligt in ihrer Nähe sind, erregen ihren Argwohn. Es wäre ihr schon öfter passiert, dass sie beobachtet und ausgehorcht wird, weil sie eine emanzipierte Frau ist und das unter Erdogans Regierung nicht so gerne gesehen wird. Worte, die doch nachdenklich machten.
Zu Fuß ging es dann weiter zum Großen Basar. Die Istanbuler Sonne brannte unbarmherzig herunter, man war um jeden noch so kleinen Fleck, der Schatten spendete, froh. Bäume waren willkommen, Wegweiser eher ungeeignet (immerhin erfuhr man hier, dass wir von London 2.500 Kilometer entfernt sind!) und auch die Markisen der Verkaufswägen der fliegenden Händler gereichten uns nicht zum Schutz.
Die Phoenix-Reiseleiter hatten alle Hände voll zu tun, um ihre "Schäfchen" zusammen zu halten. Auch Gaye wirkte zunehmend genervt. Im Reiseführer war zu lesen, dass der Große Basar auch über ruhige Gassen verfügen würde. Davon haben wir nichts entdeckt, denn schon am Eingang zum größten orientalischen Markt der Welt mit ca. 4.000 Geschäften, tobte das Leben.
Der Basar, der von unzähligen Kuppeln überdacht ist, besteht aus einem für uns undurchschaubaren Straßen- und Gassenlabyrinth, eine Stadt in der Stadt. Man steht plötzlich an Kreuzungen oder einer Hauptstraße und verliert sich in den Auslagen der Geschäfte, die mit Gold und Silber locken. Auch wenn wir nicht auf der Suche nach einem bestimmten Artikel waren, ist dieser Markt eine Fundgrube. Vielleicht sucht man nichts, aber finden tut man immer irgendetwas.
Wie wär's z.B. mit einer Gitarre oder einer fantasievollen Lampe? Natürlich gibt es hier auch Teppiche oder Lederjacken oder Süßigkeiten oder oder oder. In jedem Fall gibt es unendliche Möglichkeiten, sein Geld unter die aufdringlichen Leute zu bringen. Stichwort Geld. Auch wenn man grundsätzlich mit Euro ganz gut über die Runden kommt, sollte man Türkische Lira umtauschen. Besonders für kleinere Einkäufe, wie Postkarten oder einen türkischen Mokka zwischendurch empfiehlt sich ein kleiner Münzvorrat. Für den Kauf von Jetons für die öffentlichen Nahverkehrsmittel benötigt man im Übrigen ohnehin Türkische Lira. Wir zogen daher an einem Bankautomaten (PIN nicht vergessen!) 100 Türkische Lira, das sind etwa 33,00 Euro.
Einen längeren Bummel hatten wir für den nächsten Tag eingeplant. Und da die Luft am Nachmittag schon stickig war und wir einige Stunden auf den wund gelaufenen Füßen waren, setzten wir uns in ein kleines Lokal und genehmigten uns einen frisch gepressten Orangensaft. Das tat den Füßen und auch der Seele gut.
Es war bereits nach 18.00 Uhr, als wir wieder im Bus saßen und zum Hafen zurück kehrten. Natürlich mussten wir uns auch jetzt wieder durch den Istanbuler Verkehr kämpfen. Um 19.00 Uhr standen wir wieder vor der Albatros, die uns wie immer willkommen hieß.
Viel Zeit fürs Abendessen, das wir erneut auf Deck 6 am Lido-Büffet einnahmen, hatten wir nicht. Um 20.10 Uhr mussten wir uns nämlich schon wieder in der Atlantik Lounge einfinden, dort war der Treffpunkt für den nächsten Ausflug. Dafür packten wir noch Jacken und Pullover ein und eine Mütze gegen den zu erwartenden Wind kann sicher auch nicht schaden. Am Bus begrüßte uns ein sympathischer türkischer Reiseleiter namens Andreas zum nächsten Highlight: "Istanbul bei Nacht". Die Busfahrt ging nur über wenige hundert Meter und endete an der Anlegestelle der Ausflugsboote.
Im Gänsemarsch ging es auf ein Boot, das schon im Halbdunkel lag, aber so weit wir das abschätzen konnten, gehörte es zu den besseren. Wir setzten uns auf eine längsseits angebrachte Bank, da die Stühle an den Tischen, die sich mittschiffs befanden, alle schon besetzt waren. Das sollte sich als Glücksfall heraus stellen, denn so hatten wir beste Sicht auf alles, was uns vor die Linse kam und wir saßen buchstäblich in der ersten Reihe. Beim Wettlauf um die Stühle an den Tischen gewannen die wieder munter gewordenen Rentner, beim Fotografieren hatten sie trotzdem das Nachsehen.
Dann tauchten wir ein in das Lichtermeer der Millionenmetropole Istanbul. Unser schickes Boot, auf dem wir auch noch mit Getränken aller Art versorgt wurden, fuhr am Ufer entlang und wir kamen aus dem Staunen kaum heraus.
Wir fuhren am Dolmabahce-Palast und dem Ciragan-Palast vorbei, natürlich sahen wir auch diverse Brücken, wie die Atatürk-Brücke oder die Sultan-Mehmet-Brücke, die Europa mit Asien verbindet. Und weil die Brücken zum Teil auch in verschiedenen Farben leuchten, gibt es auch noch ein kleines Filmchen:
Und dieser beleuchtete Wahnsinn verdient eine eigene Fotoshow mit 19 weiteren Aufnahmen:
Das Lichtermeer des nächtlichen Istanbul faszinierte uns mehr als zwei Stunden, ein einmaliges Erlebnis, das man nicht vergisst. Den Abschluss bildete dann eine Panoramafahrt, die kurz vor Mitternacht am Hafenterminal endete. Die beleuchtete Albatros wies uns den Weg.
Hundemüde fielen wir nach der Rückkehr aufs Schiff in die Betten. Ein ungeheuer erlebnisreicher Tag war spektakulär zu Ende gegangen. Und weil diese Stadt einfach so unglaublich viel zu bieten hat, waren wir froh, noch einen zweiten Tag zur Verfügung zu haben. Wenn auch Sie noch mehr von Istanbul sehen wollen, bleiben Sie dran!
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