Die Fahrprüfung
Es goss in Strömen. Obwohl wir unter dem Vordach der Fahrschule wenigstens etwas Schutz vor den Wassermassen gefunden hatten, klatschten die am Boden angekommenen Regentropfen noch an unsere Hosenbeine.
"Verdammter Mist", fluchte mein Fahrlehrer, "jetzt ist er schon zehn Minuten überfällig. Das ist sonst gar nicht seine Art." Er meinte den Prüfer, der uns beide um 8.00 Uhr hier abholen sollte.
"Und denk dran, was ich dir gesagt habe. Immer schön in den Rückspiegel schauen und wenn wir in die Wolfgangsiedlung fahren, paß auf die Rechts-vor-links-Straßen auf." belehrte er mich zum x-ten Mal. Ich fragte mich allmählich, wer hier eigentlich seine Führerscheinprüfung macht: Mein Fahrlehrer oder ich.
Um 8.12 Uhr kam der Prüfer endlich. Er parkte den dunkelroten VW Golf längsseits zur Fahrschule. Dann stieg er aus, schüttelte uns beiden die Hand und entschuldigte sich kurz für die Verspätung. Mit einer einladenden Handbewegung forderte er uns schließlich auf einzusteigen.
"Das ist ja genau das richtige Wetter für die Prüfung." Mein Fahrlehrer, der neben mir Platz genommen hatte, versuchte mit seiner flapsigen Bemerkung eine lockere Atmosphäre zu schaffen. Das hatten wir so besprochen. Seine Gesichtszüge wirkten dabei aber alles andere als entspannt. Das sagte mir ein schneller Blick zur Seite.
Ich machte alles so, wie ich es in den Stunden zuvor gelernt hatte: Anschnallen, Fahrersitz zurechtrücken, Rückspiegel und Außenspiegel einstellen. Fertig. Jetzt könnte es eigentlich losgehen! dachte ich.
"So, dann schlage ich vor, dass wir zunächst einmal Richtung Hauptbahnhof fahren, wenn Sie soweit sind."
Jetzt sollte es also ernst werden. Entspannt legte ich beide Hände auf das Lenkrad. Im Rückspiegel sah ich den Prüfer, der etwas irritiert wirkte und zu fragen schien: Wann fährt der Kerl denn endlich los?
Aus den Augenwinkeln sah ich nach rechts zum Fahrlehrer. Seine Finger schienen sich förmlich in seine Oberschenkel zu bohren.
Endlich sagte er: "Worauf warten sie eigentlich?"
"Auf die Autoschlüssel. Die haben immer noch sie!" erwiderte ich, ohne die Hände vom Lenkrad zu nehmen.
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