Am 16.6.1986 wurde in der obigen Ausgabe der Romanwoche meine heitere Kurzgeschichte "Bleibt die Flimmerkiste aus ..." zum ersten Mal veröffentlicht. Es war der allererste Abdruck in meiner schriftstellerischen Laufbahn. Sicher verständlich, dass ich ein wenig stolz darauf war und mich riesig über diesen für mich kaum fassbaren Erfolg gefreut habe. Die Story kam so gut bei den Leserinnen und Lesern an, dass ich sie noch bei weiteren Redaktionen unterbringen konnte. Der Inhalt ist damals so aktuell wie heute: es geht um's Fernsehen. Da einige Sendungen von damals nicht mehr laufen, habe ich die Geschichte etwas "runderneuert" und dem Zeitgeist angepasst. Aber lesen Sie selbst. Ich wünsche gute Unterhaltung! |
Bleibt die Flimmerkiste aus ...
Dass wir ein Volk der Glotzer und Bildschirmfreaks sind, ist hinlänglich bekannt. Es gibt mittlerweile wohl kaum mehr einen Haushalt, der nicht mindestens über ein solches Teil verfügt. Wenn die Hausfrau Kartoffeln schält, wartet Oliver Geissen mit hochinteressanten Talkgästen im Studio. Auch im Schlafzimmer lassen wir uns berieseln oder zumindest von Dieter Bohlen erklären, wie das Musikgeschäft funktioniert. Das Fernsehprogramm bestimmt unseren Alltag, den Stundenplan, die Familienfeste oder die –kräche. Wer lässt sich schon eine Formel 1-Übertragung mit Lewis Hamilton entgehen oder wer würde gar auf den wieder erstarkten Martin Schmitt verzichten? Die Folgen wären nicht abzusehen! Und doch soll es schon vorgekommen sein, dass eine bundesdeutsche Familie es fertig gebracht hat, fast einen ganzen Abend lang ohne die Unterhaltung via Bildschirm auszukommen.
Unser Farbfernseher hatte bereits seine neun Jahre auf dem Buckel, die Blautöne waren daher schon entsprechend matt und auch die Fernbedienung, ein vorsintflutliches Gerät mit überdimensionalen Druckknöpfen, war nicht mehr die frischeste. Es sollte daher nicht überraschen, wenn die Mattscheibe eines schönen Tages dunkel bleibt. Und dennoch ist man als routinierter und begeisterter TV-Konsument völlig unvorbereitet, wenn einen die Technik im Stich lässt. So erging es auch meiner Gattin und mir.
Es war Samstagabend und, der Fernsehprofi weiß das selbstverständlich, "Wetten dass ..." war angesagt. Ich betätigte das kleine Kästchen, aber es tat sich nichts. Die Flimmerkiste blieb dunkel, kein leiser Summton, der ankündigte, dass das Bild gleich kommen musste. Meine Frau zeigte postwendend erste Anzeichen von Nervosität, sollte doch an diesem Tag der unvergleichliche und beste James Bond aller Zeiten, Sean Connery, auf der Wettcouch neben Thomas Gottschalk sitzen. Mit dessen Sexappeal kann ich natürlich nicht einmal annähernd mithalten.
„Vielleicht ist die Fernbedienung kaputt!" mutmaßte Sonja angesichts der vergeblichen Tastendrückerei. Ein naheliegender Gedanke.
Ich rappelte mich auf und ging zum Fernsehgerät, um es dort noch mal zu versuchen, aber auch hier hatte ich kein Glück. Ungewohnte Stille machte sich im Wohnzimmer breit, ein Umstand, der vielen sicher ganz angenehm wäre, uns aber eher noch mehr verunsicherte. Was konnte man tun? Schließlich bin ich kein Fernsehtechniker, wie ich überhaupt handwerklich noch nie sehr geschickt war. Eine Reifenpanne beispielsweise würde mich vor schier unlösbare Probleme stellen.Die Nervosität meiner Gattin verstärkte sich, die kleinen kreisrunden Flecken im Gesicht waren ein deutliches Indiz hierfür.
„Dass du in handwerklichen Dingen aber auch so ungeschickt sein musst!" schleuderte sie mir entgegen. Eine Bemerkung, die ebenso zutreffend wie überflüssig war. Dadurch würde der verdammte Mistkasten, Verzeihung, auch nicht wieder funktionieren. Die Glasschale mit den Erdnüssen auf dem Couchtisch war noch unberührt. Eine Tatsache, die vielleicht auf ernährungsbewusstes Leben schließen ließ oder, und das war viel wahrscheinlicher, auf eine technische Katastrophe.
„Wir hätten unser altes Zweitgerät im vorigen Jahr nicht auf den Sperrmüll werfen sollen. Nach dazu, wo es voll funktionsfähig war. Aber du hast es ja mal wieder besser gewusst, wie immer!"
In solchen Augenblicken durchfährt mich immer ein wohliges Gefühl. Es ist doch gut zu wissen, dass man in kritischen Situationen nicht alleine ist und der Partner mit Verständnis und guten Ratschlägen zur Seite steht. Wie recht meine Gattin doch hatte, nur hatte ich leider nicht auf sie gehört.
Es war genau 20.05 Uhr und in zehn Minuten würde die Eurovisionshymne erklingen. Nicht auszudenken, welch katastrophale Folgen unsere defekte Röhre auf die Einschaltquoten haben könnte!
Ich stand immer noch mehr oder weniger ratlos vor dem Kasten, der augenscheinlich eine Ehekrise allererster Ordnung heraufbeschwor. Dabei harmonierten wir in den letzten Jahren immer so hervorragend. Nichts, so schien es, könnte unsere Partnerschaft aus dem Gleichgewicht bringen. Wenn ich die „Sportschau" verfolgte, hatte meine Gattin in der Küche zu tun, bei "Wer wird Millionär" wiederum war sie nicht von der Glotze wegzubekommen, und ich ging in den Hobbykeller. Kurz, eine perfekt abgestimmte Ehe, in der jeder auf den anderen Rücksicht nahm. Sollte das alles durch ein defektes Fernsehgerät zerstört werden?
In meiner Verzweiflung betätigte ich noch ein letztes Mal die Fernbedienung. Träumte ich etwa? Ein vertrautes Rauschen und Summen drang an meine Ohren. Der Fernsehabend und unsere Ehe waren gerettet!
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